Bundeswehr abseits der Uniform: Ein Karriereberater über unbekannte zivile Chancen

bundeswehr karriereberater

Die Bundeswehr gilt oft als rein militärische Institution. David S., Karriereberater und ehemaliger Hauptfeldwebel, gewährt im Interview exklusive Einblicke in die zivilen Laufbahnen. Von IT-Experten im Cyberraum über Fachkräfte im Sanitätsdienst bis zu technischen Spezialisten für Drohnen und Waffensysteme zeigt er die vielseitigen Karrierechancen, die über das klassische Soldatenbild hinausgehen. Dabei profitieren Interessierte von zivil anerkannten Ausbildungen, Studienmöglichkeiten und früh übertragener Verantwortung.


David, wie bist du selbst zur Bundeswehr gekommen und was hat dich nach deinem Einstieg besonders geprägt?

Ich kam 2007 durch meinen neunmonatigen Grundwehrdienst beim Artillerieaufklärungsbataillon in Coesfeld zur Bundeswehr. In meiner Familie war es selbstverständlich, den Grundwehrdienst zu leisten, deshalb war auch für mich klar, dass ich diesen Weg gehe. Ursprünglich hatte ich jedoch nicht geplant, länger bei der Bundeswehr zu bleiben, da ich im Anschluss eine Ausbildung oder ein Studium plante.

Erst im aktiven Dienst erkannte ich, wie attraktiv die Bundeswehr als Arbeitgeberin ist. Hier werden einem je nach Schulqualifikation auch zivil anerkannte Ausbildungen oder Studienmöglichkeiten angeboten. Deshalb entschied ich mich nach meinem Grundwehrdienst für den Wechsel in die Unteroffizierslaufbahn, die mit der Gesellenebene in der freien Wirtschaft vergleichbar ist. Neben weiteren militärischen Ausbildungen erhielt ich während des Dienstes eine zivil anerkannte Ausbildung im kaufmännischen Bereich.

Im Jahr 2012 entschied ich mich für die Feldwebellaufbahn, die vergleichbar ist mit der Ebene von Meistern, Technikern oder Fachwirten in der freien Wirtschaft. Nach 14 Jahren Dienstzeit verließ ich die Bundeswehr im Dienstgrad des Hauptfeldwebels und absolvierte nach meiner Dienstzeit mit voller Unterstützung der Bundeswehr ein Studium. Direkt danach stieg ich als Beamter in den gehobenen Dienst wieder bei der Bundeswehr ein und arbeite nun in der Personalgewinnung. Dort stehe ich Interessierten mit Rat und Tat zur Seite und unterstütze sie dabei, ihre eigene Karriere bei der Bundeswehr zu beginnen.

Während meiner aktiven Dienstzeit als Soldat und auch noch heute als Beamter hat mich besonders die Kameradschaft geprägt. Bei der Bundeswehr stehen das Team und das gemeinsame Handeln im Mittelpunkt. Herkunft oder Hintergrund spielen keine Rolle. Entscheidend ist, dass man sich in stressigen oder herausfordernden Situationen bedingungslos aufeinander verlassen kann. Das habe ich in dieser Intensität vorher nie erlebt.

Ebenso prägend war für mich, wie früh ich Verantwortung übernehmen durfte. Ganz gleich in welcher Laufbahn ich mich befand, es wurde mir stets Vertrauen entgegengebracht. Man wächst daran, weil man nicht einfach nur „mitmarschiert“, sondern gebraucht wird.

Am meisten überrascht hat mich jedoch die Vielseitigkeit. Ich hatte vorher ein recht festes Bild von der Bundeswehr im Kopf – grün anmalen und schreiend durch den Wald laufen. Doch die Möglichkeiten, die die Bundeswehr bietet und mir während sowie nach der Dienstzeit eröffnet hat, sind weitaus vielfältiger, als ich es mir je hätte vorstellen können.

Wie viel Bundeswehr steckt in einem zivilen Job? Wie sehr unterscheidet sich der Arbeitsalltag von dem, was viele von außen erwarten?

Viele Bewerber haben ein bestimmtes, vor allem militärisches Bild von der Bundeswehr. Dabei gibt es deutlich mehr Vielfalt als man auf den ersten Blick erwartet und genau das überrascht viele.

Bei den zivilen Laufbahnen eröffnet die Bundeswehr vielfältige Karrierewege. Beamte in der Wehrverwaltung sorgen dafür, dass Personal, Finanzen und Infrastruktur reibungslos funktionieren. In der Wehrtechnik prüfen Fachleute Fahrzeuge, Waffen und IT-Systeme und bringen neue Technik in den Einsatz. Im Wetterdienst liefern Beamte präzise Prognosen für Planung und Training. Die Bundeswehrfeuerwehr kümmert sich unter anderem um Brandschutz. Für all diese Aufgaben gibt es Ausbildungen oder duale Studiengänge. Darüber hinaus besteht auch in der zivilen Laufbahn die Möglichkeit, an der allgemeinen soldatischen Ausbildung teilzunehmen. Das bietet die Chance, die militärischen Abläufe besser kennenzulernen, das soldatische Selbstverständnis zu erleben und sich ein militärisches Grundwissen anzueignen.

bundeswehr olympix
BW-Olympix | Foto: Bundeswehr/A. Metka

Bei den militärischen Laufbahnen gibt es ebenfalls viele Karrierewege, die so gar nicht dem oben genannten Stereotyp entsprechen. Ein gutes Beispiel ist die Instandsetzung. Dort werden hochkomplexe Waffensysteme wie Panzer, Fregatten oder Kampfflugzeuge technisch betreut, gewartet und repariert. Das erfordert spezielles Fachwissen, handwerkliches Können und technisches Verständnis auf hohem Niveau. Die Besonderheit liegt darin, dass diese Ausbildung nicht nur militärisch, sondern auch zivil anerkannt ist.

Ein weiterer Bereich, der viele überrascht, ist die Artillerie. Dazu zählen etwa die Panzerartillerie, die Raketenartillerie und die aufklärenden Einheiten. Hier werden moderne Waffensysteme nicht nur gewartet, sondern auch aktiv bedient.

Gerade im Bereich der aufklärenden Artillerie kommt moderne Drohnentechnik zum Einsatz. Wer dabei an die einfache Steuerung einer handelsüblichen Drohne denkt, liegt falsch. Wer Drohnenpilot/in werden will, durchläuft zunächst eine vollständige fliegerische Ausbildung, inklusive einer Lizenz für bemannte Luftfahrzeuge.

Diese und viele weitere Verwendungen wirken während eines Beratungsgespräches im Karriereberatungsbüro oft positiv überraschend für die Interessierten.

Gab es einen Moment in deiner Arbeit, der dich selbst überrascht hat? Etwas, das du so bei der Bundeswehr nicht erwartet hättest?

Als Heeressoldat hatte ich während meiner Dienstzeit nur selten direkten Kontakt zu den anderen Teilstreitkräften. In meiner Verwendung als Karriereberater habe ich allerdings unter anderem die Marine näher kennengelernt. Ich war überrascht, wie vielfältig und anspruchsvoll die Verwendungen an Bord sind.

Man ist nicht nur viel unterwegs und kann die Welt erkunden, sondern auch die Zusammensetzung der Besatzung hat mich beeindruckt. Fast alle an Bord haben eine zivile Ausbildung oder ein Studium, ganz gleich ob im technischen, medizinischen oder kaufmännischen Bereich.

Was ich aber nicht erwartet hätte war, dass die Kameraden auf einem Schiff neben der eigentlichen Verwendung auch „artfremd“ eingesetzt werden. So kann es gut sein, dass Soldaten aus dem kaufmännischen Bereich (Stabsdienst) plötzlich bei der Helikopterbetankung mithelfen oder für den Brandschutz zuständig sind. Aufgabenvielfalt ist bei der Marine gelebte Realität.

Sehr beeindruckend fand ich auch die Tätigkeiten rund um den Waffeneinsatz bei der Marine. Die Wartung und Bedienung der Systeme erfordert Präzision und Verantwortung. Ähnlich sieht es im Bereich der Elektrotechnik aus. Ohne die Kameraden dort gäbe es keinen Strom, kein Licht, keine funktionierende Technik. 24 Stunden am Tag und sieben Tage in der Woche sorgen sie für Betrieb und Stabilität.

Was mir besonders bei der Marine hängen geblieben ist, war der Zusammenhalt an Bord. Wer über Tage und Wochen auf engem Raum zusammenlebt und arbeitet, entwickelt ein ganz anderes Maß an Teamgeist. Selbst als Besucher konnte ich diese Verbindung deutlich spüren.

bundeswehr marine
Foto: Bundeswehr/Philipp Schäfer

Eine andere Verwendung, die mir vorher nie richtig bewusst gewesen ist und die mich überrascht hat, war das Wachbataillon und die Rolle der Protokollsoldaten. Die meisten kennen wahrscheinlich die Bilder, wenn Soldaten bei Staatsbesuchen mit militärischen Ehren am Flughafen oder vor dem Kanzleramt stehen. Kaum einer weiß jedoch, wie viel dahintersteckt. Jeder Protokollsoldat durchläuft eine vollständige infanteristische Ausbildung zum Jägersoldaten. Das bedeutet, sie sind nicht nur für den zeremoniellen Teil ausgebildet, sondern auch als vollwertige Infanteristen einsatzfähig.

Von den vielen Ausbildungs- und Studienmöglichkeiten: Welcher Beruf wird deiner Meinung nach völlig unterschätzt und warum lohnt sich genau dieser Weg?

Aus meiner persönlichen Sicht wird der Sanitätsdienst, insbesondere die Fachkrankenpflege total unterschätzt, weil es in der öffentlichen Wahrnehmung auf die reine Pflege reduziert wird. Tatsächlich handelt es sich um einen hoch spezialisierten Beruf mit intensiver fachlicher und militärischer Ausbildung.
Die Fachkrankenpflege insbesondere für Anästhesie- oder Intensivmedizin zählt gerade bei der Bundeswehr zu den anspruchsvollsten Bereichen innerhalb der medizinischen Versorgung. Pflegefachpersonen mit dieser Spezialisierung übernehmen zentrale Aufgaben in der Patientenversorgung, sowohl im klinischen Alltag der Bundeswehrkrankenhäuser als auch im Rahmen von Auslandseinsätzen und besonderen Ereignissen wie bei Naturkatastrophen. Neben der praktischen Tätigkeit sind auch Verwendungen in der Lehre und Ausbildung möglich, was das Berufsfeld besonders interessant macht.

Ein aus meiner Sicht ebenfalls unterschätzter Bereich ist der Cyber- und Informationsraum, besonders wenn es um IT-Ausbildungen und Studiengänge geht. In meinen über achtzehn Dienstjahren hatte ich oft mit IT bei der Bundeswehr zu tun, aber mir war nie wirklich bewusst, wie vielseitig die Einsatzmöglichkeiten dort zum Beispiel für studierte Informatiker oder Fachinformatiker sind.

In der Kaserne ist man als „Admin“ zum Beispiel dafür verantwortlich, dass alle IT-Systeme und Kommunikationsmittel reibungslos funktionieren. Man bildet die Schnittstelle zwischen Technik und Benutzer und sorgt im Hintergrund dafür, dass alles störungsfrei läuft.

Sehr interessant ist auch die Elektronische Kampfführung. Hier geht es um Aufklärung und Schutz im digitalen Raum. Der Aufgabenbereich reicht vom Abhören, Stören oder Blockieren gegnerischer Funkverbindungen bis zum Absichern der eigenen Systeme. Im Prinzip ist das eine Mischung aus digitaler Spionage und Verteidigung mit modernster Technik. Auch in diesem Bereich findet man unter anderem mit einer Ausbildung zum Fachinformatiker oder einem passenden Studium den Einstieg.

Diese Verwendungen werden oft unterschätzt, weil sie kaum sichtbar sind und selten mit moderner Technologie in Verbindung gebracht werden. Dabei ist gerade die technische Komplexität und sicherheitsrelevante Bedeutung der Grund, warum IT heute für jede militärische Operation unverzichtbar ist.

Und zum Schluss: Wie würdest du jungen Menschen in 30 Sekunden erklären, warum sich ein ziviler Job bei der Bundeswehr lohnt?

Ein Beruf bei der Bundeswehr in einer zivilen – aber auch in einer militärischen – Laufbahn bietet eine sichere und langfristige Karriere mit attraktiven Aufstiegsmöglichkeiten. Je nach Schulabschluss stehen über 50 Ausbildungsberufe und mehr als 40 Studiengänge zur Wahl. Attraktive Aufgaben und Karriere schließen sich hier nicht aus. Bei der Bundeswehr geht beides und man leistet einen sinnvollen Beitrag zur Sicherheit und Stabilität unseres Landes, ganz gleich ob mit oder ohne Uniform.

Vielen Dank für das Gespräch.


Neueste Beiträge



weitere themen